irgendwo in südamerika, irgendwann zwischen 1500 und 1700.
marcus stand am rande der dorfstrasse. er hatte die hölzer wie befohlen abgeliefert, und hätte jetzt eigentlich zurückgehen sollen, aber er trödelte stattdessen rum. menschen gingen vorbei. ein indiomädchen, das ungefähr in seinem alter war. unbewusst blieb sein blick länger an ihr haften. sie bemerkte es und drehte sich um, und sah ihm ins gesicht. er erschrak etwas, war aus seiner träumerei gerissen. aber sie lächelte, und ging weiter.
"herr baron", sprach der geistliche.
"so geht es nicht weiter. diese siedlung besteht jetzt schon seit mehreren jahrzehnten. es war ein fehler sie so nahe am indiodorf zu bauen, aber unvermeidlich. damals. aber inzwischen - es gibt immer mehr kontakte zwischen den siedlern und den eingeborenen. diese heiden! es ist fürchterlich. wenn das so weiter geht - ich befürchte, die menschen könnten vom glauben abfallen. von der kirche abfallen. von uns abfallen. so geht es nicht weiter?"
"was gedenken sie, das ich tun soll?", fragte der baron.
"greifen sie an! löschen sie die indios aus. wie es anderswo passiert ist".
"sie nehmen sich viel heraus, für einen geistlichen. denken sie daran, wer von uns beiden wohl dem anderen befehle geben sollte".
"das ist unerhört", schrie der geistliche und rannte aus dem zimmer.
nachdem die tür geschlossen war, wandte sich der baron an den untergebenen.
"der geistliche hat natürlich recht. die situation gerät ausser kontrolle. ein angriff wird notwendig werden. aber ich werde mich hüten, ihn nach seinem befehl heraus zu tätigen. wir müssen noch kurz abwarten. er schielt doch nur auf die goldschätze, die die indios haben - schätze, die doch dem adel viel eher zukommen sollten, als seiner verrotteten kirche."
der trinker torkelte durch die dorfstrasse. "die flut wird kommen", gröhlte er. "ist sowieso alles vorbei".
"so wie damals am rio del auro." "also lasst uns noch was trinken". "wer bezahlt mir was".
die leute schüttelten nur den kopf.
am nächten tag ging marcus wieder die gleiche strasse entlang. das mädchen von gestern stand an einer ecke!
wartete sie auf ihn? sie lächelte ihn an, und sagte "komm mit".
marcus und das indiomädchen waren im indiodorf. sie gingen in eine hütte, in der ein älterer mann mit weißen haaren saß. "das ist unser weiser mann. er berät uns hier, in vielen dingen, und kümmert sich". sie begrüßten sich. danach gingen sie weiter durch das dorf. die meisten indios hatten im laufe der jahre die selbe sprache erlernt, wie die siedler.
der untergebene sprach den baron an. "unser bote ist von dem roten stamm zurückgekeht. sie sind bereit, sich mit uns zu verbünden - um das indiodorf zu erobern".
"sehr gut", sagte der baron. "sollen sie angreifen. ihre indiobrüder ausrotten. und wir fallen ihnen dann in den rücken". er grinste.
der astronomiker sprach mit seinem lehrling.
"ich mache mir sorgen", sagte er.
"das wetter, das meer, ist sehr seltsam in letzter zeit. das könnte das anzeichen für eine flut sein. bei einer siedlung, am rio del auro, gab es sowas auch schon mal. die ganze siedlung wurde zerstört."
der astronomiker sprach beim geistlichen vor. "wir müssen uns widmen. die anzeichen stehen auf flut".
"wie bitte?" fragte der geistliche. "flut oder nicht flut, unglück oder nicht, darüber bestimmt nur gott. mit ihrer weltlichen wissenschaft wollen sie der kirche etwas beibringen wollen? wir sind hier fromme christen in der siedlung, und solange das so bleibt, wird gott keine flut befehlen".
der astronomiker ging kopfschüttelnd davon.
das mädchen hatte marcus gesagt, sie wieder in dem indiodorf zu treffen. er freute sich, schaute sich um, und sprach mit einigen der indios. auf einmal kam ein mann in einem mit federn bedeckten mantel näher. "was will diese weiße brut hier!" schrie er. "mach das du fort kommst".
das mädchen stellte sich vor marcus. der weise mann kam aus seiner hütte. die indios kuckten fragend.
"er darf hier bleiben", sagte der alte mann. die indios akzeptierten das. der federmann ging wütend davon.
"wer war das denn", fragte marcus. "der federmann", erklärte das mädchen. "er wollte immer schon weiser mann sein - anstelle von unserem weisen mann. hüte dich vor ihm. er ist gefährlich."
beide verbrachten einige zeit in dem dorf.
"komm heute abend wieder", sagte das mädchen.
marcus war wie verabredet abends am treffpunkt erschienen. sie erwartete ihn schon. "komm mit", sagte sie.
sie gingen durch den wald. er hörte trommeln, rufe, freudige rufe. und musik. es wurde immer lauter.
sie kamen auf eine lichtung. in der mitte flackerte feuer. trommeln wurden rhytmisch in starker lautstärke geschlagen. dazu einpeitschende geräusche aus ihm fremden instrumenten gemacht. die indios tanzten, lachten, sprangen zu der musik, bewegten sich ekstatisch im rhytmus. auch einige weiße siedler waren darunter.
"trink dies", sagte das indiomädchen. er trank einem ihm unbekannten trank. danach fingen sie an zu tanzen. nach einiger zeit sah er farben vor seinen augen, formen, die geräusche veränderten sich, er gab sich dem rhytmus der musik hin. noch nie hatte er sich so glücklich gefühlt, und die anderen fühlten sich auch so.
der geistliche sprach zum meuchelmörder. "erledige den baron". "egal wie". "ich werde dir reichlich gold dafür geben. auf einen preis werden wir uns schon einigen. wie konnte der baron es wagen, die macht der kirche, meine macht, anzuzweifeln".
der nächste tag. das mädchen und der alte mann waren in der hütte. ein anderer indio kam herein. "es ist wahr", sagte er. "der federmann hat sich mit dem roten stamm verbündet. er hat etwas übles vor. aber wir wissen nicht was".
am nächsten tag fühlte sich marcus komisch. das meer, das wetter, irgendwie ungewöhnlich. er fand eine botschaft auf dem fußboden, die ein indio dort hingelegt hatte. das mädchen wollte sich abends wieder mit ihm treffen. aber diesmal an einer anderen stelle.
"zuerst waren die indios nützlich", sagte der baron. "für den handel. für ihr gold. aber jetzt - die gemeinschaft wächst immer mehr mit dem indiodorf zusammen. es gibt gerüchte über wilde feste, bei denen siedlern teilnehmen. wir verlieren unsere identität. wer verlieren unsere macht."
"aber heute nacht ist schluss".
"die roten werden das dorf in asche verwandeln."
"und danach kommt unsere armee".
der baron grinste. der untergebene nickte.
marcus kam wie verabredet zum treffpunkt. sie wartete schon auf ihn.
"was ist los", fragte es.
"ist heute abend kein fest?"
"was ist mit dem dorf?"
"trink dies", sagte sie.
es war ein anderer trank.
er trank ihn aus.
er wartete einige minuten.
dann veränderte sich sein blickfeld.
er sah die erde, wie sie von feuer und lava überzogen war.
dann kam land und die ozeane
die wälder enstanden.
er sah wie ein indiodorf entsteht.
und eine siedlung.
dann ihre ruinen. vom dorf und der siedlung.
wie die wälder alles überzogen.
wie irgendwann auch der wald endete, und nur ein kahler flecken erde übrig blieb.
er sah eine felsenlandschaft und darüber die flackernden sterne.
dann endete diese bilder, und er sah wie eine blume enstand, wuchs, dann einging und verwelkte, wieder zur erde wurde, wieder wuchs und blüte, und verwelkte, und so fort.
"ich verstehe", sagte er.
"dies ist unbedeutend im wandel der zeit. und das, was etwas bedeutet, wichtig ist - entsteht immer wieder von neuem".
sie nickte.
dann führte sie in in den wald. der weise mann und einige andere indios warteten schon, und sie zogen fort.
der rote stamm stürmte ein leeres dorf. das kriegsgeheul verstummte. sie fühlten sich verraten. und das waren sie auch, denn jetzt kamen die männer des barons, und bekämpfte sie und massakrierten sie, auch den mann mit dem federmantel.
es klopfte an der tür. "ich bringe neuigkeiten von der schlacht".
"herein", sagte der baron.
der meuchelmörder trat herein.
"wer sind sie", fragte der baron.
das war das letzte was er sagte, bevor das messer des mörders den weg zu seinem hals fand.
der geistliche schaute durchs fenster. in der ferne brannte das indiodorf. ein brausen zog heran. "das haben die heiden nun davon! den gott herauszufordern". er lachte. das brausen wurde stärker. schreie zogen durch die siedlung. "die flut kommt!" wassermassen ergossen sich in die siedlung und rissen alles fort, auch den geistlichen, dessen lachen in schreie gewandelt waren.
marcus und die anderen hörten den lärm in der ferne. sie gingen weiter und gründeten einen neuen ort.